Besser spät als nie: Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen

Selbst Verbraucherschützer, die sich ansonsten kritisch zu Versicherungsverträgen äußern, bestätigen: Die Berufsunfähigkeitsversicherung (BU-Versicherung) gehört zu den wichtigsten privaten Versicherungen, sowohl für Arbeitnehmer als auch für Selbstständige und Freiberufler. Trotzdem hat nur etwa jeder fünfte Deutsche eine entsprechende Absicherung, selbst wenn man weit weniger leistungsfähige Erwerbsunfähigkeits- und Grundfähigkeitsversicherungen mitzählt. Woran liegt das? Und wie findet man auch mit 50+ noch eine geeignete Police?

Sozialversicherung auf dem Rückzug

Vielen Menschen ist nicht klar, dass zwischen Berufsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit ein gewaltiger Unterschied besteht. Bei der Berufsunfähigkeit geht es um den bisherigen Beruf, mit dem auch ein gewisses Einkommen und ein sozialer Standard verbunden sind. Erwerbsunfähigkeit liegt dagegen erst vor, wenn irgendeine beliebige Erwerbstätigkeit nicht mehr ausgeübt werden kann. Wer also noch arbeiten kann, auch weit unter seinem bisherigen Niveau, ist nicht erwerbsunfähig. Eine private Berufsunfähigkeitsversicherung ist im Vergleich mit der Sozialversicherung wesentlich leistungsstärker. Für die Generation 50+ ist der 2. Januar 1962 ein wichtiger Stichtag. Alle bis dahin Geborenen haben zumindest noch einen kleinen Anspruch aus der gesetzlichen Rentenversicherung, wenn sie berufsunfähig werden. Alle anderen bekommen – wenn überhaupt – nur bei Erwerbsminderung eine Rente. Die volle Rente gibt es für Menschen, die weniger als drei Stunden täglich arbeiten können. Abhängig von den zurückgelegten Versicherungsjahren ist selbst diese Rente oft so gering, dass sie zum Leben nicht reicht. Um es klar zu sagen: Der Staat hat sich aus der Vorsorge gegen Berufsunfähigkeit still und heimlich verabschiedet. Wer hier geschützt sein will, muss für sich selbst sorgen.

Verdrängung als Abwehrmechanismus

Abgesehen davon, dass die Änderungen in der Sozialversicherung auch fast zwanzig Jahre nach Inkrafttreten noch nicht allgemein bekannt sind, verdrängen wir auch gern bedrohliche Sachverhalte. In einigen Berufen liegt der Anteil Berufsunfähiger bei über 40 %, vereinzelt sogar über 50 %. Nicht nur Handwerker sind betroffen. Psychische Ursachen sind auf dem Vormarsch, machen fast 30 % aus. Das betrifft vor allem Büroberufe, in denen steigender Arbeitsdruck und Belastungen aus Lärm und Klima in Großraumbüros spürbar werden. Ab einem Alter von etwa vierzig Jahren steigt die Zahl der Betroffenen deutlich an. Wegen der hohen Eintrittswahrscheinlichkeit eines Leistungsfalls ist die Absicherung gegen Berufsunfähigkeit nicht billig. Risikobedingt besonders teuer ist sie ausgerechnet für Menschen mit körperlicher Berufsarbeit, die ein eher unterdurchschnittliches Einkommen erzielen. Wer sich in jungen Jahren die BU-Versicherung nicht leisten konnte oder wollte, hat aber später – bei hoffentlich besserem Lohn – noch die Möglichkeit zum Einstieg.

Nicht vom Nettobeitrag blenden lassen

Wer Berufsunfähigkeitsversicherungen vergleichen will, muss sowohl den Preis als auch die Leistung im Auge behalten. Beginnen wir mit dem Preis: Logischerweise ist der Abschluss im Alter jenseits der fünfzig wesentlich teurer als bei frühzeitigem Versicherungsbeginn. Das liegt nicht nur am gestiegenen Risiko. Es fehlt einfach auch die Zeit, in der der Versicherer aus den gezahlten Beiträgen ein Kapital für mögliche Rentenzahlungen aufbauen kann. Dennoch ist eine Absicherung noch sinnvoll. Eine Lücke bis zur regulären Altersrente von zehn bis fünfzehn Jahren durch Berufsunfähigkeit wird kaum jemand aus Erspartem schließen können, und bei einem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben fällt auch die Rente niedriger aus. Geld zu sparen durch ein Vertragsende einige Jahre vor Renteneintritt ist zwar möglich, aber aus den genannten Gründen keine gute Idee. Viele Versicherer weisen in ihren Tarifen einen Tarifbeitrag (Bruttobeitrag) und einen niedrigeren Zahlbeitrag (Nettobeitrag aus). Ist der Unterschied besonders groß, bedeutet das eine aktuell hohe Überschussbeteiligung. Das klingt gut, aber der Überschuss ist nicht garantiert. Eine Beitragsanhebung bis zum Tarifbeitrag muss der Kunde akzeptieren. Wer einen Tarif mit höherem Nettobeitrag, aber ohne große Differenz zum Brutto wählt, ist auf der sicheren Seite.

Bedingungen genau prüfen

Im Kleingedruckten, den Allgemeinen Versicherungsbedingungen, gibt es eine Menge Unterschiede zwischen den einzelnen Anbietern. Die sogenannte abstrakte Verweisung, also der Verweis auf einen zumutbaren Beruf, in dem es tatsächlich gar keine freien Stellen gibt, ist heute glücklicherweise aus fast allen Neuverträgen verschwunden. Wichtig ist ein Blick auf den Prognosezeitraum. Das ist der Zeitraum, für den die Berufsunfähigkeit nach ärztlicher Einschätzung mindestens bestehen muss, damit der Versicherer leistet. Je kürzer, desto besser, denn umso eher fließt Geld. Üblich sind sechs Monate. Viele Versicherungen enthalten eine Nachversicherungsgarantie bei Änderung des Jobs oder anderen Ereignissen – das ist im Alter 50+ aber nicht mehr ganz so wichtig.

Anonymisierter Probeantrag

Ohne Gesundheitsprüfung ist der Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung nur in seltenen Fällen möglich, und tendenziell sind diese Versicherungen auch teurer, weil sie bevorzugt von Menschen mit Vorerkrankungen abgeschlossen werden. Sind Sie unsicher, ob Sie aufgrund Ihrer aktuellen Gesundheit und bereits durchgemachter Krankheiten als versicherbar gelten, stellen Sie eine anonymisierte Risikovoranfrage. Damit vermeiden Sie, dass Ihr konkreter Antrag abgelehnt wird. Nach vorherigen Ablehnungen fragen die meisten Versicherer, und wenn erst einmal eine Ablehnung ausgesprochen ist, wird es immer schwieriger, doch noch irgendwo unterzukommen.

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